Die oiden Rittersleut

An dieses alte Kinderlied aus Bayern musste ich denken, als wir uns wieder alle vor dem alten Ritter im Deutschen Haus in Braunschweig aufgestellt haben. Immerhin 15 von 17 Autoren, die in diesem Jahr für die 44te Braunschweiger Jugendbuchwoche unterwegs waren (von rechts): Martin Klein, Markus Orths, Claudia Scharf, Jörg Isermeyer, Sarah Welk, (vorn) Antonia Michaelis, Hans-Jürgen Feldmann, Annette Roeder, Ritter, Annette Mierswa, Silke Schellhammer, Christian Linker, Meike Haas und ich (leider schon abgereist: Lukas Hainer und Silke Vry). Als Ehrenmitglied aufgenommen haben wir Meike Töpperwien aus Braunschweig in unsere Mitte aufgenommen, die die Illu-Ausstellung in der Stdtbibliothek bestritten hat. Hab mich spontanverliebt in ihre frechen und eigenwilligen Gesichter und Figuren.

Das hat also schon eiserne Tradition, dieses einträchtige Bild vor dem Eisernen Heinrich posieren. Und das ist nur eine der vielen netten Traditionen, die uns bei den Braunschweiger Jugendbuchwochen begleiten: Der rauschende Eröffnungsabend, der gemütliche Mittwochabend in der Kaufbar, viele kleine einzelne Rituale, die die Kolleginnen und Kollegen mittlerweile untereinander pflegen. Denn wir sind einige schon ganz schön altgediente Recken, die gern immer wiederkommen, wenn sie eingeladen werden. Martin Klein war sogar schon im vergangenen Jahrtausend da. Unglaublich.

Man tauscht sich aus, wer dieses Mal das Fußball-Zimmer abbekommen hat und in der Bettwäsche von Eintracht-Braunschweig schlafen darf, wer die späteste Abholzeit hat (und immens beneidet wird) und wer den besten Insider-Tipp für ein gutes Braunschweiger Restaurant hat. Die einen kaufen traditionell ihre Weihnachtsgeschenke bei den beteiligten Buchhandlungen Graff oder dem Bücherwurm und lassen sie sich dann nach Hause liefern.

Die anderen (Annette Mierswa und ich) treffen nach einem Abstecher von der Signierstunde bei einer neugierigen Besichtigung der Young Adult-Signierhallen von Graff die megaerfolgreiche Kollegin Marah Woolf, die supernett ist übrigens. Und das, obwohl sie dort tausende (!) von Büchern zu signieren hat. Wir hingegen hatten im Schnitt eher einstellige Absatzzahlen an dem Tag. Aber nett sind Buchleute ja sowieso. Ich glaube, es war bei mir das vierte Mal vor Ort und habe mal wieder eine Menge in Sachen Leseförderung wieder viele Lehrer:innen, Lesepat:innen, Hausmeister, getroffen, die ihre Kinder mit viel Engagement zu Leserinnen und Lesern machen. Egal ob das an einer Brennpunktschule war, an einer Förderschule oder dem berühmten Gymnasium Katharinaeum, an dem schon Fallersleben oder Gauß die Schulbank gedrückt haben.

Dass dieses ganze konzertierte Engagement aller Braunschweiger für die jungen Lesenden sich wirklich lohnt, hat an meiner letzten Station die Grundschule an der Bürgerstraße unter Beweis gestellt: Auf meine Frage, wer denn alles „Harry Potter“ liest, ließ ungefähr 60 Prozent der Finger der vierten Klassen hochschnellen. Kurz habe ich gezweifelt, ob ich mit dem superdünnen und supereinfachen „Super lesbar“-Buch „Die Nacht in der Schule“ hier an der richtigen bin, aber nachdem alle voll mit gegrölt und gestampft haben bei unserer Musikeinlage, waren die Zweifel gliehc wieder verflogen. Vielen lieben Dank, lieber Thomas, lieber Jonah, liebe Katharina, liebe Hilkes und alle anderen, die diese Traditionen, so eisern sie sein mögen, mit so viel Herzblut, Wärme und Lebendigkeit in ihre richtigen Wege leiten.

Ach, ein Fundstück muss ich Euch unbedingt noch zeigen: Braun-Schweig hat ein Kind bei der Lesung der „Linkslesestärke“ gemalt. Ist das nicht wunderbar. Rost-Stock und Branden-Burg schlossen sich dann noch an. Neben Braun-Schweig habe ich dann noch neue aufgenommen in die Wort-Acker-dem-ih: Sprung-Brett, Sonnen-Strahl, Klo-Bus (oder auch Globus) und eben Braunschweig. Darf ich wiederkommen?

Blätterrauschen im Blätterwald

„Es gab ein Tosen und ein Rauschen. Und plötzlich fielen die Blätter vom Baum. Alle auf einmal. Mit einem Schlag war der Baum kahl wie im Winter“. Bei „Fanny und der fast perfekte Fee“ zaubert der Fee Jerome einmal so falsch, dass die Buche im Hof plötzlich im Sommer alle Blätter verliert. Auch in der „Linkslesestärke“ gibt es eine lustige Szene in einem laubfreien Baum im November-Herbst.

Das war ja fast das Motto dieser drei wunderbaren Tage beim Blätterwald im Landkreis Forchheim – denn viele Blätter hatten die Bäume nicht mehr. Und es war auch richtig kühl bereits. Aber die sechs Lesungen, die mich bis in die Fränkische Schweiz geführt haben, waren so wohlfühlwarm, dass das Draußen sowieso völlig egal war. Das lag bestimmt an dem herzerwärmenden Willkommen in den Schulen, den übervollen Verpflegungstellern, den unglaublich langen Signierschlangen und auch – und das ganz besonders – an den netten Betreuerinnen aus dem Landkreis.

Die Literaturpädagogin Ingeborg Taube, Buchhändlerin Heike Schade (aus dem sehr feinen Buchladen das blaue Stäffala) und die Organisatorin Ramona Gebhard haben persönlich dafür gesorgt, dass die Autorin gut zu den Lesungsorten kam, dass alle prima vorbereitet waren und alle schon genau wussten, wer da zu ihnen kam. In einer Klasse hatten sie so viele gelbe Fragezettel, dass wir eine geschlagene halbe Stunde fürs Beantworten gebraucht haben. Eine echt außergewöhnliche Autorenbegegnung. Und dann durfte ich ebenso auf der anderen Seite einer Kollegin begegnen – bei der abendlichen Lesung der spannenden „Erwachsenen“-Autorin Anja Jonuleit. Die kannte ich bisher noch nicht, obwohl die Autovervollständigung bei Amazon bei „Anja J…“ immer gleich Jonuleit und nicht Janotta aus dem J macht.

Danke für dieses schöne Bücherfest an alle Beteiligten. Übrigens absolut empfehlenswert: Die begleitende Ausstellung von Lesezeichen aus aller Welt in der Bücherei Forchheim. Hier finden sich auch Einleger mit Kafka, Kästner und anderen Schriftstellern. Von geklöppelten über geflochtenen bis hin zu mit Entharsien verzierten Exemplaren.

Auch wenn es eine sehr ernste Geschichte eines Kindes gab, die mich am Rande sehr beschäftigt hat. Denn manchmal ist es so, dass die Wünsche an den Fee nicht einfach ein Hamster, eine Tüte Süßigkeiten oder Hausaufgabenfrei sind, sondern ganz andere, ganz existenzielle, ganz schlimme. Und die Autorin bleibt sprachlos zurück, weil ihr im Moment die Worte fehlen, wenn Ihr solch Geschichten anvertraut werden, die hilflos machen. Auf diese Geschichte möchte ich keinen Feenstaub streuen und Hokuspokus versprühen. Hier möchte ich mit der versammelten Kraft aller Freundinnen und Freunde dieses Mädchens mir wünschen, dass sie so warm und mitfühlend aufgefangen wird wie sie es gerade braucht.

Als kleine Ergänzung, hier sind noch die beiden mitgebrachten neuen Wortspiele der Lesereise für die Wort-Acker-dem-ih:

Schweiz im Nebel

Liebes Luzern, dreimal habe ich es probiert. Dreimal hat der Wettergott mit mir Scharade gespielt. Zweimal war es verregnet. Nach einem halben Tag Sonne war die Stadt vollkommen vernebelt. Aber ich sage es immer noch: Das sind die Wermutstropfen in einer ansonsten immer sehr schönen Wochen. Dieses Mal mit ausnahmslos sehr kreativen Kindern in Ebikon, Emmenbrücke und Buttisholz.

Wegen Nebel bin ich dann nicht auf den Berg gestiegen. Aber auch so wäre ich wahrscheinlich kein guter Berggänger. Denn ich habe massive Höhenangst und neue Wege jagen mir ziemlich Angst haben. Deswegen bin ich dann doch lieber über den Vierwaldtstätter See nach Hergilswil geschippert, der sehr, sehr, sehr nebelverhangen war. Ab und zu stach aus dem Brei ein Schiffchen heraus – das hatte fast schon was Gespentisches. In Hergilswil gibt es eine Glasfabrik mit langer Tradition.

Glas ist tatsächlich etwas, was mich schon lange begleitet, spätestens seit einem eigenen Glasblaskurs vor ein paar Jahren. Zu jeder Lesung trage ich eine selbstgemachte türkisfarbene Glasperle – mein Glücksbringer. Klar doch, dass man sich dann nicht nur die Glasöfen der Fabrik anschaut und bei dieser Gelegenheit auch mal eine eigene Glaskugel bläst.

Einzige Herausforderung: Mit viel Lesungsgepäck das zerbrechliche Gebilde nach Hause schippern. Das hat geklappt, uff. Jetzt habe ich eine tägliche Erinnerung an die schönen Tage in Luzern. Vielen herzlichen Dank an Leslie Schnyder und ihr reizendes Team, die Rebstock-Wirtin Claudia Moser, die uns nicht nur in ihrem Hotel, sondern immer ganz persönlich willkommen heißt. Damit es eine rundum schillernd-schöne Geschichte wird.

Vom Lesen animiert

Die Maus Frederick.

Frederick, die farben- und geschichtensammelnde Maus von Leo Lionni, ist im Oktober allgegenwärtig in Baden-Württemberg. Seit über 20 Jahren gibt es den Frederickstag (der eigentlich keinen Tag, sondern fast zwei Wochen dauert), an dem es Lesungen in Schulen, Bibliotheken und anderen Stellen gibt. Und wir Autor:innen sind fleißig im Ländle unterwegs. Darunter auch ich.

Premiere mit Perücke, Disco-Kugel und „Luft“-Gitarre.

Und sogar mit einer Premiere: Denn „Die coolste Klasse des Planeten“ ist das erste Mal so richtig vors Publikum getreten. Ich war noch aufgeregter als meine Heldinnen und Helden Suki, Hugo, Maral, Idris und Joschi, obwohl es bei ihnen immerhin um einen Live-Auftritt im Fernsehen geht. Denn dieses Mal singe ich nicht nur in der Lesung (na ja, vielleicht sollte man dazu eher schmettern sagen), ich tanze auch. Weil ich mangels Erfahrung und Training das allerdings nicht wirklichgut selber kann hole ich mir lieber aus dem Publikum immer ein paar Kinder, die mir Dance-Moves zeigen, die wir dann alle tanzen. In Leinfelden und am nächsten Tag in Köngen haben vor allem die Fortnite-Jungs mir perfekte Nachhilfe in Sachen Hüftschwung gegeben. Zum Glück, sonst hätte ich ja gar nicht gewusst was tun zur Musik.

So beschwingt bin ich dann gleich zum Frederickstag nach Karlruhe-Hagsfeld weitergetanzt. Wow, ich bin immer noch ganz geflasht, denn die Viertklässler haben nicht nur bei der „Linkslesestärke“ fabelhafte Wortspiele gemalt. Die Adlerklasse war im Vorfeld schon selber aktiv und hat so superfantastischwunderbare kleine Stop-Motion-Filme mit Fanny und dem Fee Jerome gebastelt und gedreht (aus „Fanny und der fast perfekte Fee“. Wollt Ihr mal sehen? Die sind so wunderbar geworden:

Im Steiff-Museum in Giengen an der Brenz.

Ich bin verfilmt worden, könnte man sagen. Zum Abschluss und mit einem kleineren Zwischenstopp zur Buchmesse, ging es dann in der Woche drauf nach Giengen an der Brenz. Und weil das Zaubern und Glitzern mit dem Fee und der Fanny so tierisch gut war, habe ich mir noch ein paar andere Tiere ansehen müssen: Den Steiff-Teddy, der nämich in Giengen geboren wurde, und seine weißen Brüder.

PS: Und natürlich hier auch wieder die Neuzugänge in der „Wort-Acker-dem-ih“ auf www.linkslesestaerke.de: Sonne-n-Strahl, Kamme-el und Links-herum.

Ein ernstes Wörtchen zu Petrus

Petrus, Lesereisen in idyllische Orte und ich, wir führen eine unentspannte Dreiecksbeziehung. Egal, was ich mache, irgendwie ziehen zwischen uns immer dunkle Wolken auf. Aber dieses Mal so richtig: Nachdem am Wochenende sogar schon das Badewetter gelockt hatte, empfing mich in Isny Schnee! Ungelogen. Mitten im April.

Und dabei hat sich das Allgäu mit Isny und dem benachbarten Neutrauchburg eigentlich so charmant präsentiert: Untergebracht war ich zum Beispiel in einer sehr liebevollen Ferienwohnung im ältesten Haus Isnys, in dem ein alter Keltenbrunnen steht und in der die erste hebräische Druckerei Deutschlands ihren Sitz hatte.

Dann hatte ich wunderbar interessierte und witzige und kreative Kids vor mir sitzen. Sowohl in Neutrauchburg als auch in Isny haben sie sich supertolle Wortspiele ausgedacht, dass ich mit den Ohren nur so geschlackert habe, sogar das Brotkäppchen aus der „Linkslesestärke“ kam an der Tafel zum Einsatz. Mitgebracht habe ich Schreib-Schrift und Schreib-Tisch sowie Quer-Flöte, ein schattiges Plätzchen, den Glücks-Pilz und den Klee-Bär.

Aber nicht nur das und eine neue Jacke (war ja eiselkalt) habe ich mitgebracht, sondern auch viele wunderschöne Eindrücke von der Stadt, von einem netten Konzert (DOTA, die Texte von Mascha Kaleko vertont haben), von der sehr sympathischen Stadt mit einem total vielfältigen Kulturprogramm, von unglaublich netten Menschen, einer langen Schlange bei der Signierstunde in der Buchhandlung Mayr und – standesgemäß fürs Allgäu – einen halben Kühlschrank Käse als Mitgebsel. Also, zum Glück geht bei mir ja die Liebe durch den Magen und nicht über Petrus!

Autogrammkarten-Sammler in der Schweiz

Täglicher Arbeitsweg in Luzern.

Im Schulhaus Kottwil im Kanton Luzern sammelt Rolf Lindemann Autogrammkarten von Autoren und Autorinnen in einer kleinen Box – neben den Urlaubskarten seiner Fünft- und Sechstklässler. Eine anschauliche Menge hat er darin schon gehortet, so oft hat im Leslie Schnyder vom ZEMBI an der PH Luzern jemanden an die Schule geschickt.

Das alte Schulhaus von Kottwil – mit Brunnen vor der Tür.

Jedes Jahr ist an der Schule eine Autorenlesung, jeweils abwechselnd für die einzelnen Jahrgänge. Da braucht die Autorin nicht erst fragen, ob die Kids wissen, wie die Veranstaltung normalerweise abläuft. Klar doch: Erst lesen, zwischendrin diskutieren und lachen und dann ganz viel fragen. In der nigelnagelneuen Schule – viel Holz, helle Farben und ein Balkon mit einem weiten Blick in die sanfte Schweizer Landschaft – ist die Atmosphäre genau so herzlich und persönlich wie der gastgebende Rolf Lindemann. Schließlich gehen hier nur 50 Schülerinnen und Schüle ein und aus. In Ebersecken sind es nochmal eine Handvoll Kinder weniger. 15 davon habe ich vorgelesen – allen Kindern aus der Jahrgangsstufe 3 bis 6. Und selbst in dieser wirklich entlegenen, aber dafür super entzückenden, kleinen Schule, die mangels Schülerzahlen leider nächstes Jahr schließen muss, gibt es eine gut bestückte Bibliothek. Gehört einfach dazu in einer Schweizer Primarschule.

Unglaubliche Buch-Auswahl in Steinhausen.

Nun haben sie in Ebersecken jetzt nicht ganz so viele Medien wie Pia d’Oto aus Steinhausen ausleihen darf: Stolze 30.000 sind es dort. Mit zwei Kolleginnen empfängt Pia D’Oto jede Klasse einmal in der Woche für eine Stunde in der Mediathek. 2022 habe ich mich ja spontanverliebt in diese lesebessene Schule. Und das auch – aber nicht nur – weil ich das letzte Mal eine sooo schöne Rückmeldung bekommen habe: „J. meidet seit Jahren Bücher und liest lediglich das, was er unbedingt muss um seine Hausaufgaben zu lösen. Nach Ihrer Lesung kam er schwer begeistert von der Schule nach Hause und hat sich sogar in der Mediathek als Erster „Linkslesestärke“ ausgeliehen. Und er hat es tatsächlich geschafft das ganze Buch zu lesen – für ihn ein riesengrosser Effort. Entsprechend stolz war er auf sich. Langer Rede kurzer Sinn. Seither hat er tatsächlich angefangen auch andere Bücher zu lesen und zu Weihnachten hat er sich „Linkslesemut“ gewünscht – noch vor ein paar Monaten undenkbar. Ich möchte Ihnen von Herzen für diese wunderbare Begegnung danken. Für J. war es ein riesiger Gewinn.“ Das ist auch für mich unglaublich motivierend und wunderschön.

Wie schön, dass ich in diesem Jahr nochmal vorbeischauen durfte. Und die Lesungen waren – wenn es das überhaupt noch geben kann – nochmal perfekter als im vergangenen Jahr. Ich habe mit der Linkslesestärke auch jede Menge neuer Wortspiele mitgebracht: Allen voran ein Stein-Hausen 😊 Und dann sind da aber noch Sonnen-Brille-Kreis-Lauf, Kletter-Steig, Unter-der-Erde und Clown-Nase. Aus Ebersecken sind neu hinzu gekommen: Lehr-Person, Bam-Bus, Oa-Asse und Eis-Bär (wie immer alles zu finden in der Wort-Acker-dem-ich auf www.linkslesestaerke.de).

Gibt den Autoren jedes Jahr eine Heimat: Das Hotel Rebstock.

Aber nicht nur der kreative Seite, auch die kulinarische ist das, was ich an der Lesereise nach Luzern sehr liebe. Das liegt an der netten Unterbringung im „Rebstock“, und an der Gastfreundlichkeit der ehemaligen Besitzerin Claudia Moser, die es sich mit 84 Jahren immer noch nicht nehmen lässt, einmal in der Woche alle Autoren (und es sind in vier Wochen über 50 gewesen dieses Mal!) zu sich in die Stube einzualden und zu bekochen.

Und damit ich nicht nur von Kottwil, Ebersecken und Steinhausen schwärme: In Triengen haben wir echt viel Spaß gehabt mit der „Fanny“, rosa Perücken, einer Menge lustiger Ideen für neue Geschichten – wie wäre es zum Beispiel mit einem Schulkeller, in dem alle beschlagnahmten Gegenstände plötzlich ein Eigenleben bekommen?

Lesung in der Luzerner Primarschule Moosmatt.

Und in der Luzerner Primarschule Moosmatt hätten wir am liebsten gleich einen Adventskalender mit einer skurrilen und gruseligen Fortsetzungsgeschichte geschrieben.

Apropos Fortsetzungsgeschichte – darf ich nächstes Jahr wiederkommen nach Luzern?

Eiserner Tugendwächter

Oben von l. nach r.: Rieke Patwardhan, Oliver Schlick, Anja Janotta, eisener Ritter, Kai Pannen, Rebecca Elbs, christian Linker; unten von l. nach r.: Rüdiger Bertram Antonia Michaelis, Hansjürgen Feldhaus, Katja Frixe.

Immer wenn wir Autorinnen und Autoren in Braunschweig sind, verfolgen wir ein paar eingespielte Rituale, die sich im Laufe der vielen Jugendbuchwochen etabliert haben. Das obligatorische Foto mit dem eisernen Ritter in unserem bewährten Hotel Deutsches Haus gehört dazu zum Beispiel. Zum 43. Turnus der Lesungsveranstaltung haben wir es sogar geschafft, mehrere wunderbare Gruppenfotos aufzunehmen.

Kann man uns die ausgelassene Klassentreffen-Stimmung ansehen? Vielleicht ein bisschen, denn der gute eiserne Kerl war plötzlich um eine Tarnung reicher: Sonnenbrille und Schlapphut. Vielleicht damit er später nicht so genau hinsah, was die plötzlich losgelassenen Autorinnen und Autoren noch so ausgeheckt haben.

Mit dabei waren neben meinen beiden Münchner Kolleginnen Annette Röder und Silke Schellhammer außerdem noch Christian Linker, Katja Frixe, Oliver Schlick, Kai Pannen, Will Gmehling, Rüdiger Bertram, Rebecca Elbs, Rieke Patwardhan, Antonia Michaelis und Hansjürgen Feldhaus. Da ist Klassenfahrt-Stimmung quasi vorprogrammiert.

Ach ja, gelesen habe ich auch. Ganz schön oft und mit viel, viel Spaß. Das Witzige ist – wenn man so ein miserables Namensgedächtnis hat wie ich – dass man plötzlich in Schulen steht, die ein echtes Déjà-vu-Erlebnis bereithalten. In der Nibelungen-Realschule war ich nun schon das zweite Mal (und habe es erst beim Eintreten in die Aula bemerkt) und in der Hauptschule Sophienstraße ebenfalls. Ist dann fast wie heimkommen – aber das ist die Jugendbuchwoche in Braunschweig ohnehin. Mittlerweile schon das vierte Mal für mich – wobei eine Woche während Corona lediglich online war.

Büchertisch für alle Interessierte.

Zu den Ritualen gehört natürlich auch der Begegnungsabend mit den Veranstalterinnen und Buchinteressierten am Montagabend und die lange und ausführliche Buchhandlungstour bei den liebevollen und so unglaublich persönlich engagierten Organisatoren Bücherwurm und Graff. Denn mit Bahnstreik und Fliegerbombenalarm lief so einiges anders als geplant in dieser 43. Jugendbuchwoche und die Organisatoren hatten alle Hände voll zu tun mit diesen unvorhergesehenen Herausforderungen.

In der YA-Abteilung von Graff. Ganz rechts: Buchwochen-Organisator Thomas Wrensch.

Dieses Mal durfte ich sogar einen kleinen Eindruck einer ganz besonderen Abteilung von Graff gewinnen: In einem Nebenraum werden die Tausende (wirklich T-A-U-S-E-N-D-E) von signierten YA-Büchern verpackt und verschickt. Eine logistische Meisterleistung und heiß geliebt von jungen Leserinnen in der ganzen Republik – allen voran von meiner leidenschaftlich lesenden Tochter daheim.

Dabei hatte die Woche mit einem Unfall angefangen: Der Buchhändlerin, die einen Büchertisch in der Grundschule Waggum ausrichten wollte, riss der Riemen der Tasche, die Wasserflasche krachte auf die Betontreppe und die Scherben fügten ihr so tiefe Schnittwunden zu, dass sie erst mal ins Krankenhaus zum Nähen musste.

Es geht ihr mittlerweile wieder gut, hat Kai Pannen bestätigt, der sie am nächsten Tag getroffen hat. Mir hat man zum Glück erst nach den Lesungen davon erzählt, sonst wäre ich echt durch den Wind gewesen. So aber habe ich ungestört neue Wortspiele eingesammelt für die Wort-Acker-dem-ih auf www.linkslesestaerke.de. Insgesamt habe ich aus Braunschweig mitgebracht Kaffee-Maschine, Blumen-Topf-Erde, Esels-Ohr. Schokoladen-Tafel und Hoch-Wasser. Ach, ich könnte gleich wieder umkehren und noch mal eine Runde beim Eisernen Tugendwächter vorbeischauen. Ich nehme auch die rosa Perücke mit.

Moin! Kinder-Spaß auf friesisch

Vorbereitung für die Premierenlesung von „Klassenfahrt außer Kontrolle“.

Weener und Westoverledingen liegen mitten in Ostfriesland – Kühe, Schafe, Trecker, weit verstreute Siedlungen, genau so wie man es sich vorstellt. Ziemlich platt jedenfalls. Ausgerechnet von hier aus ging es ziemlich steil hinauf. Denn mit den vierten Klassen der Grundschule Weener durfte ich mit „Klassenfahrt außer Kontrolle“ das erste Mal auf die Berge.

Der Hafen in Leer, Ostfriesland.

Immer, wenn ich mit einem neuen Buch eine Premiere feiere, bin ich entsprechend nervös. Kommt das Buch gut an? Habe ich die richtigen Stellen ausgewählt? Aber dank der supernetten Betreuung, Glückskäfern und tollen Kindern war diese ganze Aufregung total unnötig. Kein Absturz, keine Steinlawine, kein Gewitter – zumindest nur im Buch! Stattdessen begeisterte Lehrerinnen und Schüler. Wie schön!

Weiter ging es mit der „Linkslesestärke“ und „Fanny und der fast perfekte Fee“ in den umliegenden Schulen in Stapelmoor und Möhlenwarf. Teilweise unter erschwerten Bedingungen, denn die Schulen in Weener werden allesamt gerade umfangreich modernisiert – und in Stapelmoor wurde zeitgleich zur Lesung lautstark eine Wand eingerissen. Durch unseren Lesungssaal waberte irgendwann dann auch eine graue Wolke – das erste Mal, dass ich bei einer Lesung so etwas Extravagantes wie Trockennebel hatte. Na ja, fast. Es war dann irgendwie doch nur Staub. Trotzdem habe ich lustige Einfälle der Kinder mit nach Hause gebracht: Den Hosen-Stall und den Kinder-Spaß zum Beispiel.

Aus Möhlenwarf und Weener habe ich noch die Milch-Straße, die Flaschenpost und das Taschen-Messer hinzu.

Danke an die liebe Sarah Möhlmann und die Büchereizentrale in Niedersachsen, die diese Woche in Ostfriesland für mich organisiert haben. Am Freitag übernahm dann die reizende Kollegin Anja Kellermann aus Westoverledingen. Pfiffige Kinder gehen dort zur Schule, die auf meine Frage, ob sie nach dem Läuten lieber in die Pause wollten, antworteten: „Nein. Weiterlesen! Ist gerade so schön“. Dem komme ich doch immer gerne nach. Außerdem habe ich die Kartoffel und den Stuhl-Gang mitgenommen. Schön war’s. Jetzt kann ich vergnügt weiterfahren nach Rotenburg, wo die nächste Lesung mit der „Linklslesestärke“ wartet.

Wo die wilden Leser wohnen

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Halligalli und Variete im Abendprogramm in St. Gallen.

Seitdem ich von meiner Lesereise aus St. Gallen zurück bin, bin ich fest davon überzeugt: Irgendwo in der Schweiz muss er sein – der Ort, wo die wilden Leser und Leserinnen wohnen. Ich weiß zwar noch nicht in welchem Kanton, oder ob es nicht einfach auch mehrere solche „Geburtsorte“ gibt – aber eines ist schon mal klar: In der Schweiz ist Lesen eine Insitution. Versteht mich nicht falsch, auch Deutschland hat wunderbare Konzepte, emsige Lesepat:innen, vorbildlich engagierte Lehrer:innen und Pädagog:innen, die Büchereien haben vielfältige Angebote mit Bilderbuchkino, Leseclubs und Poetry Slam etc.. Aber, und hier kommt der Punkt, es ist alles freiwillig: Jemand, der oder die nicht so gern lesen mag, flutscht in Deutschland allzu oft durchs Netz, taucht ab und ist nicht mehr zu angeln, egal welche Köder man ihm vor die Nase hält. Und nein, ich fange jetzt nicht wieder von der IGLU-Studie an, auch wenn ich es gerne möchte.

In der Schweiz ist das nicht so schnell möglich, denn hier ist das Lesen einfach fest in den Schulalltag integriert: Und damit meine ich jetzt nicht nur die regelmäßigen Lesungen an den Schulen (allein in St. Gallen und dne benachbarten Kantonen sind es in diesme Jahr 650 Veranstaltungen). Es ist aber auch das: An nahezu jede Primarschule ist eine Bücherei mit einem sehr gut ausgestatteten Etat angeschlossen. Diesen Etat brauchen die Bibliotheken aber auch, denn vielerorts gehört der regelmäßige Besuch fest zum Stundenplan: Mindestens mal alle drei, vier Wochen gehen die Schülerinnen und Schüler in die Bibliothek und müssen sich dort ein Buch ausleihen. Oder es steht eine Schulstunde Lesen auf dem Wochenprogramm, oder nach der Pause wird erst einmal eine Viertelstunde in der Klasse kollektiv geschmökert. Lesen ist nicht etwas, was so irgendwie und nebenher im Deutschunterricht passiert und das mit einem – wenn man Glück hat – irgendwann die Eltern üben. In der Schweiz gehört es zum Lehrplan wie Sport oder Religion.

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Die Störche in Uznach: Man sieht sogar die Köpfe der Baby-Störche, wenn man genau hinsieht.

Jedenfalls habe ich es so erlebt, als ich jetzt bei St. Gallen unterwegs war. Bei Niederurnen musste ich am Morgen erst einmal über die vielen querliegenden Schüler und Schülerinnen steigen, die sich lesend auf dem Bibliotheksboden ausgebreitet hatten. Karin Cuipers, die Bibliothekarin erzählte mir von dem Elternabend, den sie neulich veranstaltet hat – mit Book-Castings, wo Bücher anhand verschiedener Kriterien gegeneinander antreten: Cover, Klappentext, Plot etc. So unterhaltsam können Buchempfehlungen für Eltern sein. Auch hier gehört das Fach Lesen fest in den Stundenplan der kleinen Leserinnen und Leser. 1000 neue Bücher kann Karin Cuipers kaufen.

Nebenan in Uznach ist es nicht anders: Die Kolleginnen sehen die Schülerinnen und Schüler der Primarschule regelmäßig und kennen sie ziemlich gut. 270 Klassenbesuche waren es allein 2022 Vielleicht meinen es die Störche, die in dieser kleinen Stadt wirklich überall nisten, deswegen so gut mit dem lesenden Nachwuchs. Ich habe mich jedenfalls auch sehr gefreut, dass wirklich jedes Buch von mir dort im Regal steht. Wirklich jedes.

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Die Stftsbibliothek in St. Gallen.

Aber es wäre unfair, wenn ich nur das als Erinnerung mitgenommen hätte. Denn es war einfach rundum schön in St. Gallen und Umgebung. Am Rorschacherberg konnte ich zwischen drei sehr schönen Lesungen an den ebenso schönen Bodensee hinunterwandern und meine Mittagspause direkt am Wasser genießen. Wo hat man das schon? In Teufen überbot man sich mit noch kreativeren Ideen für weitere Bücher. (Das frage ich immer, schließlich ist mir „Die Nacht in der Schule“ ja auch bei einer Lesung von einer Klasse eingeflüstert worden). Ebenso in Ebnat-Kappel. Hier gibt es einen Schulgeist, der wirklich magische Kräfte zu haben scheint und dem man einiges an Abenteuern andichtet. Und man kann ihn nur austreiben, indem man ganz laut „We will rock you“ grölt. Also, wenn der sich nach dieser Vorstellung nochmal traut, sein Unwesen zu treiben – das würde mich schon arg wundern.

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Mit der fabelhaften Maja Nielsen beim Stammtisch.

Schön, war’s natürlich auch, weil St. Gallen so bezaubernd ist – allen voran die wundergare ehrwürdige Stiftsbibliothek – und weil wir wieder mit vielen lieben Kollegen unterwegs waren, dieses Mal waren wir sogar selbst bei einer Lesung – bei Theresa Präauer mit „Essen im falschen Jahrhundert“. Nachdem ich das irgendwann mal ein Semester die „Soziologie des Essens“ studiert habe, war das besonders für mich ein sehr amüsanter Abend. Und dann saß ich durch Zufall auf dem Rückweg drei Pädagog:innen aus Adliswil gegenüber (auch da hatte ich schon gelsen, allerdings online): Hier hatte es an der Schule am Tag zuvor einen Bücherflohmarkt gegeben, wo jedes Kind seine alten, nicht mehr gebrauchten Bücher mitgenommen hat und dafür dann mit zehn Franken Spielgeld nun andere Bücher erhandeln musste. Noch so ein Beispiel für institutionalisierte Leseförderung an der Schule.

Natürlich habe ich von meiner jüngsten Lesereise wieder Worträtsel mitgebracht für die Wort-Acker-dem-ih auf www.linkslesestaerke.de. Dieses Mal gibt es neu das Stink-Tier, den gestiefelten Kater und die Roller-Blades.

Da kann es stürmen, regnen oder schneien …

… heute feiern wir: Meike Haas (von links), Nina Müller, Margit Ruile und ich. Denn wir durften wieder mit Neustart Kultur unterwegs sein. Auch wenn der Wettergott echt hart mit uns war, hatten wir einen Riesenspaß in Stadtbergeben, Neuburg an der Donau und in der Montessori-Schule München der Aktion Sonnenschein. Tolle Kinder, schöne Veranstaltungen und einen Menge kreativer Einfälle waren dabei. Ich habe jedenfalls von den Lesungen mit der „Linkslesestärke“ für die Wort-Acker-dem-ih mitgenommen: Bauern-Hof, Dumpfbacke, Stern-Bild und Hand-Taschen.

Vielleicht konnte ja auch deshalb nichts schiefgehen, weil mir in Neuburg an der Donau ein waschechtes Einhorn zur Seite stand. Da musste es ja klappen mit der Magie, dem Fee Jerome und dem ganzen Glitzer-Feenstaub – na ja, nicht so ganz nach Plan, aber immerhin zur vollen Belustigung des Publikums.

Auch die „Isar-Detektive“ waren in der vergangenen Woche mit mir auf Tour: In Wörthsee mussten wir sogar Stühle extra rausholen, damit die vielen Kinder und Erwachsenen noch Platz fanden – 45 Besucher lauschten und machten Vorschläge, was man in der Politik für die Schule besser machen könnte: Keine Hausaufgaben zum Beispiel, mehr Sportunterricht und späterer Schulanfang.

Im Max-Gymnasium einen Tag später forderte eine Schülerin dann eine Stunde Lesen pro Woche. Wenn man die IGLU-Studie verfolgt, die gerade mit den schlechten Leseergebnissen der Viertklässler*innen Deutschland erschüttert, dann ist dieser Vorschlag nun wirklich kein schlechter. Das kann ich 1:1 unterschreiben.