Die Autoren des Marburger Lesefests sind meistens nur ein paar Tage da – das reicht kaum, um alle Schönheiten der Altstadt mit den vielen alten Häusern, berühmten Kirchen, Zwingli-Treppen und Lahn-Promenaden zu erkunden. Aber man sieht ja sowieso nur mit dem Herzen gut. Und das war für mich das Beeindruckendste am Marburger Lesefest: Eine Lesung in der Blista-Schule mit einer integrierten Klasse, in der Blinde, Sehbeeinträchtigte und Sehende zusammen lernen. Dort habe ich auch das erste Mal eines meiner Bücher in Blindenschrift gesehen (gelesen habe ich aber daraus nicht). Allein das war schon total faszinierend. Aber am tollsten war die Debatte mit den Siebtklässlern. Die hat mich regelrecht umgehauen.
„Meine Checkliste zum Verlieben“ gibt ja an sich schon viel Diskussionspotenzial her, aber in dieser Klasse war es doppelt spannend. Ging es ja auch ein bisschen darum, was man an anderen attraktiv findet, warum man sich verliebt (und warum nicht), was die wichtigsten Eigenschaften sind, die ein Freund braucht … Die Zeit verging im Fluge und ich weiß jetzt, dass es die Stimme ist, der Charakter und die Hilfsbereitschaft, die andere Menschen für nichtsehende Menschen attraktiv macht. Aber auch die Sehenden an der blista habe ich sehr kritisch und nachdenklich erlebt: Wenn jemand gut aussieht, guckt man vielleicht hin, sagte einer, aber wirklich angesehen wird dann eher der Charakter.
Und boah, Hut ab vor dem Siebtklässler, der mit voller Überzeugung und voller Ernsthaftigkeit gesagt hat: „Das Mädchen aus meiner WG – das ist einzigartig.“ Da möchte man einfach nur sagen: Schnapp ihn dir, das ist ein Guter!
Bitte nicht falsch verstehen, die anderen Begegnungen waren natürlich auch sehr schön – unter anderem mit einer Lesung in voller Disko-Beleuchtung. Ich wurde sogar gefragt, welche Farbe und welche Spotlights ich mir für die große Bühne in der Richtsbergschule wünsche. „Äh … weiß nicht … äh …blau?,“ war jetzt nicht gerade die souveränste Antwort, wurde aber prompt erfüllt.
Und zwei wundervolle Lesungen mit Mira und ihrer „Linkslesestärke“ waren auch noch in der Marburger Wundertüte. Mitgebracht habe ich „Dixi-Klo“, „Dino-Fossil“, „Wort-Schatz“, „Uhr-Kunde“ und „Sonnen-Aufgang“.
Und meine reizende Assistentin Evi hat eine sehr lustige Art gefunden, wie man „Furzen“ auch schreiben kann: