Eingeschneit in Basel

In Basel schneit es selten, haben sie uns erzählt. Und wenn, dann schon gar nicht gleich 40 Zentimeter auf einmal. Aber so war es: Vom Donnerstag auf Freitag fiel während der Basler Lesewoche „Literatur aus erster Hand“ soviel Schnee wie schon ewig lang nicht. Zuletzt vor 40 Jahren soll es so gewesen sein. Trams fielen aus und die vielen lustigen Drachentrinkbrunnen hatten binnen kürzester Zeit imposante Schneehauben. Das machte es den Autorinnen und Autoren am Freitga natürlich ein bisschen schwieriger zu den Einsatzorten in den Basler Schulen zu kommen. Meine letzte Lesung der Woche war außerdem noch oben auf dem Berg in Bettingen, aber ein mutiger Taxifahrer kämpfte uns mit vorbildlichem Einsatz die verschneite Straße hoch. Und dann lief also auch noch die letzte Lesung glatt.

Was ich wiederum aus der Schweiz mitgenommen habe, ist die Bewunderung dafür, wie wichtig jedes einzelne Kind im Klassenzimmer genommen wird. Klar, diese Augenhöhe ist mit kleinen Klassenstärken und viel prädagigischer Unterstützung sicherlich einfacher zu schaffen, aber auch dort gibt es die eine oder den anderen, der oder die akut ein bisschen mehr Bedarf hat oder ein besonderes Problem. In der Schule in Basel Neubad zum Beispiel hat dafür die Lehrerin kleine Mood-Steine gebastelt. Die Stimmungen reichen von fröhlich bis gelassen über neutral bis hin zu ärgerlich oder traurig. Nimmt ein Kind diesen Stein und legt es vor sich ab, dann wissen andere, dass hier zum Beispiel gerade Trost gefragt ist. Und ich glaube, ich habe selten so eine sozialkompetente Klasse erleben dürfen. Einfach toll.

In der Schule am Wasgenring gab es ein Ständchenzur Begrüßung. Lustigerweise hatte sich die Lehrperson ein Lied von einem Vogel ausgesucht, der statt sich der Kunst des Gesangs zu widmen sich erst einmal erleichtern muss. Das Motto: Die Kunst erreicht nicht alle, der Rest hingegen schon, Als dem Lehrer das auffiel, dass da ja auch eine Art Künstlerin daneben stand, war ihm das hochnotpeinlich. Ich fand es nur hochnotwitzig. Schließlich geht es bei unseren Schullesungen nicht um abgehobene Kunst, sondern um Kunst zum Anfassen, zum Erleben und bestenfalls sogar Mitgestalten. Und wenn es dann so einen lebhaften Austausch gibt wie nach den vielen Fragen, die die Klasse als kleine Loszettel vorbereitet hatte, dann springt vielleicht auch ein bisschen Kunstgedanke und Leselust über.

Was mir noch aufgefallen ist, sind die Pult-Bücher, die nahezu überall und bei jeder Klasse und jeder Schülerin oder jedem Schüler zu finden sind (einige schmökern gerade „Die Nacht in der Shcule“ oder „Klassenfahrt außer Kontrolle“), das ist echt nett, dann darüber weiterzuplaudern). 15 Minuten lesen jeden Morgen oder ndch der Pause, oder eine Bibliotheksstunde in der Woche oder … oder … oder. Das sind nur einige der Lesekonzepte. In der Primarschule Schoren liest eine Klasse sich zum Beispiel um die Welt: Jede Seite entspricht einem Kilometer. In Norwegen ist man nun schon angelangt. Ja, auch in der Schweiz können viele Sechtsklässler nicht richtig gut lesen, aber ich glaube, dass die vielen Lesekonzepte sehr viel konsequenter diesem Umstand entgegentreten.

Und neben all der Lesearbeit gab es natürlich einen Overkill an Baseler Läckerli (kleines, lebkuchenartiges Gebäck), ganz viel Raclette, wunderbare Begegnungen mit vielen liebenswerten Menschen, Leseförderengagierten und Kolleginnen. Zum Beispiel mit der lieben Kollegin Doris Lecher aus Basel, die uns zu sich zum Nachtessen eingeladen hat, oder der wunderbaren Buchhändlerin Sandra Näf-Gloor, in deren Kinderbuchhandlung Proviant ich endlich mal der Kollegin Jutta Nymphius bei einer Lesung aus ihrem sehr schlauen Buch „Total irre“ lauschen durfte. Danke, liebe Viviane, dass ich dabei sein durfte. Basel wird mir echt in langer Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen des Schnees und einer sehr denkwürdigen Begegnung mit einem echten Schulmammut.

Ach ja, weil der Schwerpunkt dieser Reise eindeutig auf der „Linkslesestärke“ lag, habe ich ganz viele neue Einträge für die „Wort-Acker-dem-ih auf www.linkslesestaerke.de mitgenommen: Weiß-Kopf-Adler, Dona nobis pacem (ja, der bekannte Kanon!), Meter-Maß, Kopf-Salat, Dumm- Kopf, Kuh-l, Kletter-Baum, Kopf-Sprung, Wasser-Fall, Kuh -(Mulus)-Wolke, Kuckucks-Uhr.

Echt Kuh-l war’s.